Juwelendiebstahl- Prozess „Grünes Gewölbe“ – der Einsatz der Sächsischen Wunderhunde – alles nur Hokuspokus?
Im Verfahren des Landgerichts Dresden um den Einbruch in das Dresdner Grüne Gewölbe am 25.11.2019 wurde in der Hauptverhandlung am 10.06.2022 der Komplex um den Einsatz sog. Man-Trailer-Hunde der sächsischen Polizei und von Geruchsdifferenzierungshunden behandelt.
Nach der Einvernahme von Sachverständigen gab Rechtsanwalt Thomas, der gemeinsam mit Rechtsanwalt Baum den Angeklagten W.R. verteidigt, nachfolgende Erklärung ab:
"Zu den Vernehmungen der Sachverständigen Prof. Dr. Goss und Dr. Schalke gemäß § 257 Abs. 2 StPO wird nachfolgende Erklärung abgegeben:
Mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Dresden vom 01.09.2021 wird u.a. die Hypothese formuliert, dass „durch den Einsatz von Mantrailern und Geruchsdifferenzierungshunden … die Anwesenheit“ des Angeschuldigten W.R. im inneren des Historischen Grünen Gewölbes belegt sei.
Geruchsspuren von W.R. seien im Bereich des Einstiegsfensters und im Juwelenzimmer wiedererkannt wurden.
Der Sachverständige Prof. Dr. Goss gab in seiner Einvernahme in der Hauptverhandlung vom 10.06.22 befragt zu den Voraussetzungen im Inneren des Grünen Gewölbes in Bezug auf das Vorhandensein von Geruchsspuren an, dass auf Grund der dort vorhandenen Bedingungen (geringe Luftfeuchte, polierter Marmorboden) Geruchsspuren - wenn überhaupt - nur sehr kurz verblieben sein können. Dass Geruchsspuren noch Monate nach dem Einbruch ins Grüne Gewölbe im Inneren vorhanden sein könnten, schloss der Sachverständigen aus. Nach 48 Stunden oder später mache – so der Sachverständige Prof. Dr. Goss – der Einsatz von Maintrailer- bzw. Geruchsdifferenzierungshunden überhaupt keinen Sinn mehr.
Dem Einsatz der Geruchsdifferenzierungshunde mehr als 1 Jahr nach der Tat und nach Wiedereröffnung der Ausstellung für den Publikumsverkehr kann daher keinerlei Beweiswert zukommen.
Die Einvernahme der Sachverständigen Dr. Schalke wiederum brachte eklatante Fehler in der Ausbildung der Maintrailer- und Geruchsdifferenzierungshunde zu Tage: Die Sachverständige, die sich in Vorbereitung der Hauptverhandlung und in der Hauptverhandlung am 10.06.2022 die gefertigten Videos über die verschiedenen Einsätze der Hunde ansehen konnte, bemerkte bei allen Hunden mit Ausnahme des Hundes Hermine, eine deutliches Abwehrverhalten bei der Aufnahme des Geruchs aus der Geruchsprobe. Bei fast allen Hunden war bei Einsichtnahme der Videos ersichtlich, dass die Tiere bei der Geruchsaufnahme aus der Geruchsprobe ein aktives Meideverhalten, wie das Abwenden des Kopfes, die tiefliegende Rute, das Wegsacken der Halsmuskulatur oder das Zurücknehmen der Ohren, zeigten. Dies lässt nach Auffassung der Sachverständigen nur darauf schließen, dass die Aufnahme der Gerüche nicht lege artis erfolgte. Wenn die Tiere – so die Sachverständige - nun aber die Geruchsaufnahme als unangenehm erfahren, kann nicht sicher gesagt werden, ob der Geruch nicht mit negativen Emotionen für das Tier belegt ist und der Hund damit den Geruch aktiv vermeidet.
Die vermeintlichen „Ergebnisse“ der Hundeeinsätze sind damit ohne jeglichen Beweiswert; was die Sachverständige zu der Aussage bringt: „Wenn einer aus der Gruppe, der bei dem Einsatz der Hunde dabei ist weiß, wie der Verlauf der Spur ist, kommt man immer zum Ziel, auch wenn man es nicht will.“
Dabei legte die Sachverständige die Aussage des zuvor gehörten Zeugen POK N. zu Grunde, wonach er als Hundeführer des Hundes Tiger vor seinem Einsatz in die Räumlichkeiten des Grünen Gewölbes eingewiesen und ihm konkret auch die Einstiegsstelle gezeigt wurde.
Im Rahmen der Beweisaufnahme vom 10.06.2022 wurde das die Anklagehypothese vermeintlich in nahezu sämtlichen Details stützende Beweismittel ad absurdum geführt. Damit ist auch das einzige Indiz, wonach W.R. einer der beiden Täter gewesen sein soll, die am 25.11.2019 den Innenraum des Historischen Grünen Gewölbe betreten, mit Äxten Löcher in die Vitrinen geschlagen und die Beute entwendet haben, hinfällig. Diese den konkreten Anklagesatz prägende und durch die Medien auch der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebrachte Hypothese entbehrt damit jeder Grundlage.
Im Hinblick auf das vernichtende Urteil der Sachverständigen sei ferner angemerkt, dass die Staatsanwaltschaft die im Vorfeld gebotene kritische Würdigung des Beweismittels – betreffend das Ob und ggf. das Wie seines Einsatzes – offensichtlich nicht vorgenommen hat.
Ohne erkennbare Auseinandersetzung mit den im konkreten Fall gegen einen Hundeeinsatz sprechenden Argumenten wurden die Angeklagten vielmehr der – wie es der Vorsitzende im Rahmen des letzten Hauptverhandlungstermins zutreffend formulierte – unwürdigen Prozedur der Geruchsprobenentnahme ausgesetzt. Diese bestand darin, mit sterilen Kompressen verschiedene Körperteile wie Bauch, Achselhöhlen und Rücken abzureiben und fand vor laufender Videokamera und in Gegenwart mehrerer Mitglieder der Soko Epaulette statt. Das hätte die Staatsanwaltschaft den Angeklagten ersparen können und müssen. Damit hätte die Staatsanwaltschaft gleichzeitig sich selbst davor bewahrt, ihre Anklagehypothese in wesentlichen Zügen nach dem nunmehr ad absurdum geführten Beweismittel auszurichten."