Juwelendiebstahl- Prozess „Grünes Gewölbe“ – RA Thomas beantragt die Aussetzung des Verfahrens

Im Verfahren um den Juwelendiebstahl im „Grünen Gewölbe“ in Dresden beantragte RA Thomas und sein Mitverteidiger Rechtsanwalt Baum die sofortige Aussetzung der Hauptverhandlung und begründete diesen Antrag wie folgt:

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Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Dresden vom 01.09.2022 wurde dem Mandanten von RA Thomas und RA Baum im konkreten Anklagesatz folgender Sachverhalt vorgeworfen:

 

Der Mandant und ein weiterer Angeklagter sollen sich durch die Gitteröffnung und das aufgedrückte Fenster in den Pretiosensaal des Historischen Grünen Gewölbes begeben und sich zielgerichtet durch das Wappenzimmer in das Juwelenzimmer zu drei Vitrinen mit den Juwelengarnituren Augusts des Starken bewegt haben. Sie sollen mit Äxten Löcher in die Vitrinen geschlagen und Schmuckstücke aus der Diamantrosengarnitur, der Brillantgarnitur sowie aus dem Schmuck der Königinnen aus den Vitrinen mitgenommen haben.

In der Hauptverhandlung am 28.10.2022 erteilte die Kammer des Landgerichts Dresden unter Verweis auf § 265 StPO den Hinweis,

„dass hinsichtlich des den Angeklagten zur Last gelegten Einbruchsgeschehens in das Residenzschloss auch eine Verurteilung der Angeklagten wegen eines anderweitigen Tatbeitrags in Betracht kommt, soweit ihnen ein Eindringen in die Ausstellungsräume zur Last gelegt wird.“

Der von RA Thomas und RA Baum verteidigte Angeklagte soll anstelle des bisher angeklagten Tatbeitrages – Eindringen in die Ausstellungsräume, Zerstörung der Ausstellungsvitrinen und Entnahme der Schmuckstücke -  nunmehr „wegen eines anderweitigen Tatbeitrages“ verurteilt werden, ohne dass der erteilte Hinweis diesen „anderweitigen“ Tatbeitrag auch nur in groben Zügen beschreibt. Der Hinweis der Kammer nach § 265 StPO erschöpft sich diesbezüglich allein in der Mitteilung, der Angeklagte könne auch wegen eines anderweitigen Tatbeitrages verurteilt werden.

 

Der Angeklagte ist aktuell überhaupt nicht der Lage sich hinreichend zu verteidigen, da ihm nach dem Hinweis der Kammer vom 28.10.2022 nicht ansatzweise klar ist, welcher konkrete Tatvorwurf ihm unterstellt wird, gegen den er sich zu verteidigen hat.

 

Mag die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Dresden vom 01.09.2021 noch der Informations- und Umgrenzungsfunktion einer Anklage nach § 200 StPO in Bezug auf den Angeklagten genügen, so sind die an jede Anklage zu stellenden Anforderungen diesbezüglich durch den Hinweis der Kammer vom 28.10.2022 nicht mehr erfüllt.

 

Die Anklage legt verbindlich den Prozessgegenstand fest, an welchen das Gericht im tatsächlichen Rahmen der durch die Anklage ausgewiesenen prozessualen Tat(en) i. S. d. § 264 StPO gebunden ist (Umgrenzungsfunktion der Anklage). Darüber hinaus kommt der Anklage die Aufgabe zu, den Verfahrensbeteiligten die für die Durchführung der Hauptverhandlung wesentlichen Informationen zu vermitteln (Informationsfunktion der Anklage). Um ihre verfahrensbegrenzenden Wirkung zu erfüllen, ist für die Wahrung der Umgrenzungsfunktion erforderlich, dass die Bestimmung des Prozessgegenstands im Anklagesatz durch die Bezeichnung des Angeklagten und der Tat als des historischen Lebensvorgangs, den die Staatsanwaltschaft zur gerichtlichen Entscheidung stellen will, so genau wie möglich erfolgt.

Die Tat muss daher durch bestimmte Tatumstände so konkret beschrieben werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welches Verhalten dem Angeklagten zur Last gelegt wird. Es darf nicht unklar bleiben, über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urteilen soll.

 

Der Angeklagte kann sich nicht wirksam verteidigen, wenn er den ihm zur Last gelegten Tatbeitrag nicht kennt.

 

§ 265 Abs. 4 StPO enthält einen über die voranstehenden Absätze hinausgehenden Grundsatz, der besagt, dass das Gericht im Rahmen seiner Justizgewährungspflicht für eine Verfahrensgestaltung zu sorgen hat, die die Wahrung der Verfahrensinteressen aller Verfahrensbeteiligten, vor allem aber die Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht verkürzt. Der Begriff der „veränderten Sachlage“ darf daher nicht eng ausgelegt werden. Eine Veränderung der Sachlage ist daher auch anzunehmen, wenn das Gericht – wie vorliegend – aus den dem Angeklagten bereits aus der zugelassenen Anklage bekannten Tatsachen andere tatsächliche Folgerungen zieht.

 

Über den Antrag will die Kammer in einem der nächsten Hauptverhandlungstermine entscheiden.

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